Tod als Thema ohne Brisanz
Gut ist es, wenn wir uns mit dem Tod befassen können, ohne einen aktuellen Sterbefall im näheren Umfeld zu haben. Dann haben wir vielfältige Möglichkeiten, um uns dem Thema zu nähern. Anlässe gibt es genug! Schon ein kurzes Innehalten und einen Austausch miteinander (z. B. durch ein verstorbenes Meerschweinchen oder einen toten Vogel auf dem Schulhof) kann den Tod aus der Tabuecke holen.
In einer (recht) unbelasteten Situation können wir freier sprechen und erklären, dass wir (und besonders die Erwachsenen) oft sprachlos werden, wenn es um den Tod geht. Das liegt aber nicht am Tod selbst, sondern an der Trauer, der Unsicherheit oder Befangenheit von uns. Kinder kennen keine Tabus. Die „lernen“ sie erst von uns. Wenn das geschieht, erschwert das die Entwicklung eines realistischen Konzeptes vom Tod.
Wir können ein Vorbild sein und auch weiterführende Hoffnungsbilder für das Leben und über das Leben hinaus vorstellen / anbieten. Wir eröffnen so Möglichkeiten, offen und angstfrei über den Tod zu sprechen. Das ist die beste Vorbereitung auf den Ernstfall.
Religionsunterricht
Im RU können wir Gesprächsanlässe schaffen und Kinder ermutigen, das Thema in den Blick zu nehmen. Dort, wo oft geschwiegen wird, können wir Räume eröffnen. Kinder erleben die „kleinen Tode“ wie Abschied nehmen, Trennungen, Ängste haben … und auch den endgültigen Tod. Der Religionsunterricht kann einen festen Platz bieten, um Erfahrungen, Vorstellungen und Fragen wertungsfrei zu äußern und sich mit anderen auszutauschen.
Wir als Lehrkräfte können …
- … Hoffnungsmodelle anbieten – jedoch als Angebot, ein möglicher Lösungsansatz, aber sicher nicht als Lösungsversprechen
- … das Werden und Vergehen in der Natur genau beobachten
- … Bildworte der Bibel kennen lernen (Ostererzählung, Reich Gottes oder auch als Anreiz dieses Bilderbuch verwenden)
- … Psalmworte der Trauer und Verzweiflung lesen und erkennen: Menschen haben schon immer so empfunden!
- … Gedankenexperimente anstoßen: Nach dem Tod ist nicht alles aus?! (Raupe-Puppe-Schmetterling)
- … einen Friedhofsbesuch machen (Sachkompetenz und ein Wortschatz zum Tod werden dabei aufgebaut)
- … deutlich machen: „Ich lebe!“ Woran merken wir das? (Körperliche Lebensmerkmale thematisieren).Wir sind Teil des natürlichen Kreislaufes. Alles was lebt, vergeht irgendwann.
- … gemeinsam überlegen: Gibt es etwas, das bleibt, das unsterblich ist?
All das sollen offene und einladende Angebote sein, ohne Wege festzulegen.
Wenn ein konkreter Todesfall eintritt
Jeder trauert individuell und der Trauerprozess ist nicht vorherzusehen. Außerdem hängt er von einer Vielzahl äußerer Faktoren ab:
- Wer ist gestorben? Wie nah standen das Kind und der Verstorbene sich?
- War der Tod vorhersehbar oder ist der Tod ganz plötzlich eingetreten?
- Hat das Kind Vertraute, mit denen es über den Verlust sprechen kann?
- Ganz individuelle Aspekte sind auch entscheidend (Temperament, Entwicklungsalter des Kindes …). Wie reagiert das soziale Umfeld auf den Tod?
Wenn du dich als Lehrkraft mit der Situation überfordert fühlst, hole dir professionelle Hilfe! Das ist kein Versagen, sondern Fürsorge für dich selbst.
Ein unmittelbarer Krisenfall erfordert ein besonderes Vorgehen. Dafür werde ich einen eigenen Beitrag verfassen.
Das solltest du vermeiden …
Oft greift man in seiner Not und Hilflosigkeit auf Floskeln und Beschwichtigungsmanöver zurück, die nicht hilfreich sind.
- Sätze wie: „Das wird schon wieder!“ oder „Ein Indigener kennt keinen Schmerz“. Du brauchst keine schnellen Antworten zu suchen. Hör einfach erst einmal zu. Hilfreich ist es über deine eigenen Gefühle zu sprechen, wie es dir gerade geht.
- Umschreibungen für den Tod suchen „Die Oma ist eingeschlafen“ „Sie ruht“ … Damit kann z. B. der Schlaf am Abend zum Problem werden (wache ich wieder auf, wenn ich jetzt einschlafe?). Nenne den Tod beim Namen. Das erscheint hart, hilft aber dem Kind in seiner Klarheit: „Die Oma ist gestorben. Sie ist jetzt tot.“
- Verharmlosen: „Dem Onkel … geht es jetzt viel besser“
- Die Todesursache geheim halten. Das kann dazu führen, dass das Kind sich etwas zusammenreimt („Vielleicht ist er gestorben, weil ich so frech war?„) (Als Lehrkraft steht es uns natürlich nicht zu, das Kind über die Umstände aufzuklären. Vielleicht kann aber im Gespräch mit den Hinterbliebenen darauf aufmerksam gemacht werden, was es im Kind auslösen kann, wenn man versucht, es zu sehr zu schonen. – Siehe nächster Punkt)
- Das Kind nicht „belasten“ zu wollen. Schlimmer ist es, wenn es die Unsicherheit und die kleinen Flunkereien oder Auslassungen der Erwachsenen spüren. Da haben Kinder eine sehr gute Antenne!
- Das Kind non-stop beobachten und ihm dadurch keine Freiräume bieten.
Was gut tut …
- Das Kind entscheiden lassen, in welchem Tempo es über den Tod sprechen möchte. Man merkt schnell, wann es genug ist. Kinder brauchen Zeit zum Trauern – aber sie trauern „pfützenartig“ (s. o.). Das ist für Erwachsene, die selbst trauern, oft eine Überforderung. Hier sind Schule oder andere Vertrauenspersonen gefragt.
- Klare Worte finden oder auch mal schweigen („Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll“). Hauptsache ehrlich sein. „Der Papa muss jetzt für sich sorgen. Er ist furchtbar traurig und braucht erst einmal Zeit. Später kann er für dich da sein. Wenn du magst, kannst du gerne mit mir darüber sprechen. Oder: Wie kann ich dir helfen?“
- Kinder nicht für zu klein halten. Wer versteht schon den Tod? Auch wir nicht. Wir brauchen Vertrauen in das Kind und lassen es teilhaben, denn der Tod gehört zum Leben. Wir sollten also darüber sprechen.
- Ganz klar und immer wieder betonen: „Du bist nicht schuld“. Je nach Entwicklungsgrad können sich Kinder die Schuld am Tod eines Angehörigen geben, weil sie sich als allmächtig wahrnehmen.
- Wenn das Kind z. B. zum ersten Mal wieder in der Schule ist, wird ihm vermittelt oder gesagt: „Wir freuen uns, dass du wieder da bist!“, danach folgt erst einmal Routine, ein geregelter Ablauf. Dem Kind wird ganz klar gesagt, dass es sich jederzeit Auszeiten (innerhalb des Klassenraumes) nehmen kann. Es sollte dabei in der Gemeinschaft verbleiben.
- Gestehe dem Kind auch deine Unsicherheit und frage nach, was es braucht, was ihm hilft, was du tun kannst … Sei echt, authentisch!
- Spiegele die Gefühle des Kindes, indem du sie in Worte fasst: „Ich verstehe das so gut, dass du wütend bist. Deine Oma hat immer mit dir … Du vermisst sie sicher sehr.“
- Kinder brauchen Phasen des Spiels und des Ausgelassenseins. Ein Alltag hilft dabei, die schwere Trauerarbeit zu leisten.
- Weinen ist so wichtig und zu jeder Zeit „erlaubt“.
- Gib dem Kind das Gefühl, immer für es da zu sein. Manchmal hilft es auch schon, nur in der Nähe zu sein: „Wenn du magst, setze ich mich ein bisschen zu dir.“
Keiner fühlt sich beim Thema Tod leichtfüßig und frohen Mutes. Da ist die Schwerkraft doppelt so gut spürbar. Trotzdem sollten wir immer wieder Angebote bieten, um uns der Schwere bewusst zu sein und ihr einen Raum zu geben, denn sie ist eben doch ein Teil unseres Lebens.