Komme ich wirklich in die Hölle?

oder: Wenn einige Kinder in der Klasse Angst vor Gott haben

Kennt ihr das?

Manche Kinder sind bibelfester als ich. Oft haben sie aber auch Überzeugungen und ein Gottesbild, das Ängste hervorruft. Ihre Bedenken und oft grausamen Vorstellungen teilen sie mit mir und ihren Mitschüler*innen: Sünde, Hölle, Bestrafungen der in Ungnade gefallenen und der Teufel sind von klein auf präsent. Die Beziehung zu Gott ist von Angst geprägt. Ihr mythisch-wörtliches Verständnis der ausgewählten Bibelstellen kann zu düsteren Unterrichsgesprächen führen.
Ich habe da einige Szenen vor Augen:
Ich entfalte eine biblische Geschichte und prompt kommt ein Kommentar: „Das steht so aber nicht in der Bibel. Das ist nicht richtig!“
Oder: Die kleine Lilli kommt weinend zu mir und meint: „Die H. hat gesagt, wenn ich am Wochenende auf Halloween gehe, komme ich in die Hölle!“

Wie gehe ich damit um?

Ich kann diese oft schon lang existierenden Denkmuster und Gottesvorstellungen nicht als absurd oder falsch abtun. Aber ich kann und muss die anderen Kinder vor solchen Vorstellungen schützen und darauf verweisen:
„Jeder darf so glauben, wie er es möchte. ABER: Niemand darf Ängste bei anderen Kindern erzeugen. UND: Alle Kinder dürfen für sich selbst entscheiden, ob ihr Glaube zu ihnen passt.

Es ist wichtig, diese Kinder darin zu unterstützen, ihre Gottesvorstellung zu erweitern. Ich beleuchte eine Facette Gottes, die sie oft vernachlässigen: die verzeihenden und großzügigen Eigenschaften Gottes.

Ist ein Glaube gut, wenn er Angst macht?

In der Bibel gibt es genug Stellen, die Ängste schüren. Die kann man sich natürlich herauspicken. So würde man das Gesamtwerk Bibel jedoch komplett missverstehen. Horst hatte ein schönes Bild, das es sehr anschaulich beschreibt: Die Bibel hat eine Schale und einen Kern. (Er nennt es in seinem Beitrag „Zentrum und Peripherie)

Die Bibel als Frucht

Stell dir die Bibel wie eine Frucht vor. Sie hat viel „Fruchtfleisch“! Darin enthalten sind unzählige Geschichten, Briefe und Psalme, die alle Empfindungen auslösen können, die der Mensch kennt. Von Liebe bis Hass und Verzweiflung ist alles dabei. Beißt du hier rein: Liebe und Güte, Verzeihen und Glück. Beißt du auf der anderen Seite ab: Hass, Tod und Höllenqual. Was also ist nun die „richtige“ Bibelseite?

Schale & Kern

Erst wenn du die ganze Bibel liest (also die ganze Frucht isst), kommst du zum Kern. Da kann auch mal ein bitteres Stück dabei sein. Aber frage dich:
Was wollte Jesus uns mitgeben?
Was war das Zentrum seiner Lehre?

Wie können wir uns Gott vorstellen?
Wir greifen also nicht einzelne Zitate oder Geschichten heraus und fühlen uns in unserer Meinung bestätigt, sondern wir ordnen die Geschichte, das Zitat in die Gesamtaussage ein.

Was sag ich also dem Kinde?

Es bringt nichts, die angstbesetzten Bilder als falsch abzutun. Ich würde versuchen, positive Gottesbilder, Psalmen und Geschichten herauszugreifen und diese wirken zu lassen.
Vielleicht helfen dir die unten aufgeführten Impulse:

  • „Ich habe euch die biblische Geschichte so nacherzählt, wie ich sie verstehe“
  • „Die Menschen, die die Bibel geschrieben haben, kannten unsere Zeit nicht. Wir müssen deshalb immer überlegen, wie die Gebote der Bibel heute zu verstehen sind.) Ich schaue mir deshalb die Bibelgeschichten immer genau an und überlege: Was will sie mir heute sagen?“
  • „Jesus wollte sicher nicht, dass wir Angst vor der Hölle haben. Jesus wollte, dass wir uns geliebt fühlen …“
  • „Lilli geht zu einer Halloweenparty, weil es ihr Spaß macht, sich zu gruseln und Süßigkeiten zu bekommen. Sie wird dort nur verkleideten Menschen begegnen, die nicht das Böse toll finden, sondern das Verkleiden. Sie amüsieren sich.“
  • „Wenn ich in der Bibel lese, fällt mir nur ganz selten auf, dass Menschen Angst bekommen. Ich finde ganz viel Liebe in der Bibel.“

Wenn man die Angst als Kern der Bibel sieht, verpasst man die ganze Liebe die darin steckt. Das wäre doch sehr schade. Natürlich werde ich die Zweifel, Ängste und fest verankerten Gottesbilder nicht so leicht verändern können. Doch wenn ich den „Kern“ in die Erde pflanze und ihn im Religionsunterricht hege und pflege, vielleicht wird er irgendwann wachsen und zu einem Pflänzchen werden, das Frucht trägt …

Zum Weiterlesen …

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